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FREIHAUS 10-2024: Die US-Wahlen und Lateinamerika - Mehr Engagement oder Abschottung gegenüber den Nachbarn im Süden?

  • Autorenbild: Jens Beeck
    Jens Beeck
  • 16. Okt. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Lateinamerika ist wirtschaftlich aufstrebend, aber kämpft zugleich mit vielen Problemen. Der Ausgang der US-Wahl könnte tiefgreifende Auswirkungen für eine Region haben, die im geopolitischen Spannungsfeld steht.


Auch wenn der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl dieses Jahres noch ungewiss ist, darf man jetzt schon konstatieren: die policies beider Kandidaten werden signifikante Auswirkungen auf Lateinamerika und die Karibik und deren Beziehung zu den USA haben. Im US-Wahlkampf selbst wird Lateinamerika hauptsächlich in Bezug auf die Migration in die USA thematisiert. Aber auch Drogenhandel und Organisierte Kriminalität sind Themen, die die Agenda der nächsten Regierung bestimmen werden. Die Frage, wie sich die USA wirtschaftspolitisch ausrichten und welche Zollregime in Kraft treten, wird auf Lateinamerika starke Auswirkungen haben. Ebenso die klimapolitischen Maßnahmen der nächsten Regierung.


Die Beziehungen zwischen den USA, Mexiko und Lateinamerika sind so vielfältig, wie die Region selbst: Mit Ländern wie Kolumbien, Peru und Chile besteht eine beträchtliche ökonomische Zusammenarbeit, gestärkt durch Freihandelsabkommen und wechselseitige Exporte. Auch Ecuador strebt ein solches Freihandelsabkommen an.

Dahingegen sind die größten Länder des Kontinents, Brasilien und Argentinien, wirtschaftlich weniger stark mit den USA verwoben und konkurrieren sogar auf dem Weltmarkt, zumindest was Rohstoff- und Agrarexporte angeht. Traditionell pflegen sie gute Beziehungen zu den USA, die je nach politischer Ausrichtung der Amtsinhaber auf beiden Seiten aber mehr oder weniger stark ausgeprägt sind. Zudem hat im letzten Jahrzehnt China als weiterer attraktiver Kooperations- und Handelspartner die Region betreten: Alternativen zu den USA sind also durchaus vorhanden.


Der direkte Nachbar Mexiko ist tief in die US-Wirtschaft integriert, insbesondere durch das USMCA-Abkommen. Mexiko profitiert erheblich von der Neuordnung der globalen Lieferketten, die dem Ansatz von Derisking und Near-Shoring folgend wieder näher an die USA gelegt werden. Zugleich kommt Mexiko als Transitland eine besondere Rolle bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Steuerung der Migration zu. Entsprechend ist das Land am stärksten exponiert. Ein Wahlsieg Trumps könnte gravierende Folgen haben, da er noch stärker als Harris eine protektionistische Politik verfolgt, was die USMCA-Revision 2026 gefährden könnte. Trumps rassistische Äußerungen und die Drohung, das US-Militär gegen Drogenbanden in Mexiko einzusetzen, rufen dort große Sorgen hervor. Auch die restriktive Migrationspolitik, die Migranten an der Grenze stranden lässt und so die Herausforderung der Versorgung Mexiko überlasst, würde unter Trump voraussichtlich verschärft werden.


Die Auswirkungen eines rigideren Grenzregimes dürften jedoch auch weiter im Süden spürbar sein. Trump hat angekündigt, die Regeln auszusetzen, nach denen Venezolanern automatisch der Asyl-Status gewährt wird. Sollten die etwa 3 Mio. Venezolaner, die Schätzungen zufolge das Land verlassen werden, weniger leicht in die USA kommen, müssten die unmittelbaren Nachbarn die Fluchtbewegung absorbieren. Kolumbien und Peru, die bereits viele venezolanische Geflüchtete aufnehmen, blicken darum mit Besorgnis auf die US-Wahl. Unabhängig davon, wer die Wahl gewinnt: eine härtere Gangart bei den Sanktionen gegen Venezuela ist wahrscheinlich, was die ökonomische Lage dort verschlechtern und neuen Migrationsdruck auslösen dürfte.


Beide Kandidaten haben angekündigt, die US-Binnenwirtschaft durch Zölle und Protektionismus zu stärken. Mit einem solchen Kurs geht jedoch ein strategisches Langzeitrisiko einher: dort wo die USA an Marktanteil und Bedeutung verlieren, wird China seinen Einfluss ausbauen. Bereits jetzt hat die Volksrepublik im Rahmen ihrer Neuen Seidenstraße systematisch investiert – die für dieses Jahr geplante Eröffnung des mit chinesischen Geldern finanzierten Tiefwasserhafens im peruanischen Chancay ist nur das jüngste Beispiel hierfür.


Auch im Bereich des Rohstoffexports ist China ein umtriebiger Akteur. Die Rohstoffvorkommen des Kontinents sind erheblich – grade jener, die für einen ökologischen Umbau der Wirtschaft gebraucht werden. Es wird sich zeigen, wie im Kampf um die Abbau- und Exportlizenzen die USA den chinesischen Vorsprung einzuholen gedenken. In dieser Hinsicht wäre ein Wahlsieg von Harris für viele südamerikanische Staaten vermutlich von Vorteil: sie wird die klimafreundlichen Maßnahmen der Biden-Regierung fortsetzen, was die Nachfrage nach Lithium, Kupfer, Nickel und seltenen Erden weiter anheizen dürfte.


Eine weniger direkte, aber nichtsdestotrotz erhebliche Auswirkung dürfte auch die Unterstützung der nächsten US-Regierung für die Ukraine haben. Putin trägt in erheblichem Maße dazu bei, die autoritären Regime in Venezuela, Kuba und Nicaragua aufrechtzuerhalten. Auch in anderen Ländern schürt russische Propaganda unter dem Deckmantel anti-kolonialer Rhetorik gezielt Ressentiments gegen die USA und den Westen. Eine US-Regierung, die der Ukraine zum Sieg verhilft, schwächt Russland und in der Folge seine autoritären Verbündete in Mittel- und Südamerika erheblich. Es ist symptomatisch für die geopolitische Komplexität des 21. Jahrhunderts, dass auf den Schlachtfeldern des Donbas das Schicksal der Menschen in Caracas (mit)entscheiden wird.


Diese Gemengelage bietet zahlreiche Chancen für die Staaten Süd- und Mittelamerikas. Das neue Interesse der Großmächte gibt ihnen Verhandlungsmacht, um bessere Bedingungen in der Sicherheitspolitik, bei Handelspartnern und Direktinvestitionen zu erlangen. Auch die EU wird sich entscheiden müssen, wie sie in den vielstimmigen Interessenschor auf dem viertgrößten Kontinent einstimmen möchte. Für Deutschland bieten sich – auch bilateral – erhebliche Chancen für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Nutzen wir diese umsichtig.

 

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